Willkommen zu einem Thema, das so dramatisch ist wie ein Shakespeare-Stück – nur ohne die ganzen Monologe. Deine Aufgabe wird es sein, eine Szene schreiben, in der zwei Menschen eine hitzige Diskussion führen, ohne auch nur ein Wort zu sagen. Keine Dialoge, keine laut ausgesprochenen Gedanken, nur Blicke, Gesten und Körperhaltung. Nur Emotionen ohne Worte. Klingt nach einer Herausforderung? Vielleicht. Aber es ist auch eine fantastische Gelegenheit, Deine Fähigkeiten als Geschichtenerzähler zu schärfen und Deine Leser zu beeindrucken.
In diesem Beitrag erfährst Du aber nicht nur, wie du nonverbale Kommunikation meisterhaft in Deine Geschichten einbaust, sondern wir machen auch nochmal einen kleinen Exkurs, warum Gestik, Mimik und Körpersprache oft mehr aussagen als Worte.
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Inhalt
Warum Emotionen ohne Worte? Ist das nicht superkompliziert?
Ja, vielleicht ist es kompliziert. Aber gerade das ist auch der Punkt. Das Schreiben lebt davon, dass Du Deinen Lesern nicht alles vor die Nase hältst. Dialoge sind toll, klar. Aber manchmal ist es das, was nicht gesagt wird, das den größten Eindruck hinterlässt.
Und da wären wir beim Beispiel: Zwei Menschen, die sich wortlos gegenüberstehen. Ihre Augen flackern, ihre Körperhaltung spricht Bände, und der Leser spürt die Spannung, ohne dass jemand „Ich bin so sauer auf dich!“ sagen muss.

Der Anfang: Wer streitet hier überhaupt?
Bevor Du eine Szene schreibst, in der zwei Personen eine hitzige Diskussion ohne Worte führen, brauchst Du einen klaren Kontext. Und nein, du kannst nicht einfach zwei Strichmännchen nehmen. Gib ihnen Persönlichkeit, Hintergrund und eine Beziehung zueinander.
Fragen, die du Dir stellen solltest
Wer sind diese Personen?
Haben sie eine enge Beziehung, oder sind sie Fremde? Sind sie Freunde, Feinde, Liebende oder Geschwister? Jede Beziehung bringt eine andere Dynamik mit.
Warum streiten sie?
Gibt es einen Konflikt, der schon länger schwelt, oder handelt es sich um eine spontane Auseinandersetzung? Es muss einen Grund geben. Vielleicht hat Person A den letzten Donut gegessen, oder Person B hat den Lieblingspulli von Person A ruiniert.
Wo sind sie?
Der Schauplatz beeinflusst die Szene enorm. Ein Streit im Wohnzimmer ist etwas anderes als ein wortloser Konflikt in einem überfüllten Zugabteil.
Beispiel
Anna und Tom sind Geschwister. Sie stehen in der Küche, und auf dem Boden liegt Annas zerbrochene Lieblingstasse. Tom steht mit verschränkten Armen da und sieht aus, als würde er gleich einen Oscar für „unschuldiger Bruder des Jahres“ gewinnen. Anna hingegen hat diesen Blick, den nur ältere Schwestern perfektionieren können.

Zeig’s mir! Die Macht der Emotionen und Körpersprache
Okay, Deine Figuren sind bereit. Jetzt geht’s ans Eingemachte: Wie zeigst Du Emotionen ohne Worte? Denn wenn Worte wegfallen, treten Gestik und Mimik in den Vordergrund. Jede Bewegung, jeder Blick und jede Haltung erzählt dann die Geschichte.
Mimik: Das Gesicht als Schlachtfeld
Das Gesicht ist ein Buch – oder ein Comic, je nach Situation. Augenbrauen, Lippen und Augen verraten oft mehr, als den Figuren lieb ist.
- Augen: Ein genervtes Augenrollen, ein wütender Blick oder nervöses Blinzeln – Augen sind die Fenster zur Seele. (Oder zur Unschuld. Oder, Tom?)
- Mund: Zusammengepresste Lippen, ein Zucken der Mundwinkel oder ein vielsagendes Lächeln – subtile Bewegungen sind Gold wert.
- Gesichtsausdruck: Kleine Veränderungen, wie das Heben einer Augenbraue oder das leichte Zusammenziehen der Stirn, verraten viel über die Gefühle deiner Figuren.
Gestik: Reden mit den Händen
Hände, Arme, Füße und Beine sind die Extrovertierten des Körpers. Sie können elegant, theatralisch oder aggressiv sein.
- Hände und Arme: Verschränkte Arme (Abwehrhaltung, Trotz), nervöses Reiben der Hände oder ein Fingerzeig (Anklage, Aggression) können verschiedene Emotionen ausdrücken – von Abwehr bis Aggression.
- Wilde Handbewegungen: Verzweiflung oder der Versuch, etwas zu erklären, ohne Worte zu verwenden.
- Bewegungen: Ein abrupter Schritt nach vorne, ein plötzliches Wegdrehen oder das rhythmische Klopfen mit dem Fuß erzeugen Dynamik.
Körperhaltung: Haltung bewahren – oder eben nicht
- Haltung: Eine aufrechte, steife Haltung kann Anspannung zeigen, während ein gesenkter Kopf Unsicherheit ausdrückt.
- Abstand: Der Abstand zwischen den Figuren kann deren Beziehung widerspiegeln. Eine Annäherung kann konfrontativ oder versöhnlich wirken, während Distanz oft auf Ablehnung hinweist.

Lass’ den Schauplatz mitreden
Der Ort, an dem der Streit stattfindet, ist wie eine dritte Figur. Nutze den Raum, die Lichtverhältnisse oder Geräusche, um die Stimmung zu verstärken.
Beispiele
- In der Küche: Das Klirren der Tasse auf den Fliesen, der stechende Geruch von verbranntem Toast – das Chaos des Ortes spiegelt den Konflikt wider.
- Wohnzimmer: Der knarrende Holzboden und das Flackern eines Fernsehers im Hintergrund verstärken das Gefühl von Unbehagen.
- Im Park: Das Rascheln der Bäume und das entfernte Lachen von Kindern bilden einen Kontrast zur aufgeladenen Stimmung.
- Im Auto: Der enge Raum verstärkt die Spannung, und das Schweigen wird durch das Ticken des Blinkers fast unerträglich.

Spannungsbogen: Mach’ den Konflikt spannend
Eine Diskussion ohne Worte muss aufgebaut werden wie eine Achterbahn: Es braucht Höhen, Tiefen. Naja, und dann irgendwann einen Knall.
Beispiel der Szene
- Der Auslöser: Anna hebt die zerbrochene Tasse vom Boden auf und sieht Tom mit einem fragenden Blick an. Sie sagt nichts, doch ihr Gesicht ist angespannt.
- Die erste Reaktion: Tom zuckt mit den Schultern und macht einen abwehrenden Schritt zurück. Seine Augen weichen ihrem Blick aus.
- Die Eskalation: Anna wirft die Scherben auf den Tisch. Ihr Gesichtsausdruck wird härter, während sie ihre Arme verschränkt. Tom zeigt mit dem Finger auf Scherben und schüttelt den Kopf.
- Der Höhepunkt: Anna tritt einen Schritt auf Tom zu, hebt eine Scherbe hoch und blickt ihn an, als wolle sie ihn zur Rede stellen. Tom tritt ebenfalls einen Schritt vor, die Hände in die Hüften gestemmt. Ihre Gesichter sind nur wenige Zentimeter voneinander entfernt.
- Die Auflösung: Beide halten inne, atmen schwer und wenden sich schließlich ab – Anna mit einem resignierten Kopfschütteln, Tom mit einem schuldbewussten Blick zur Seite.
Alternative mit Humor und Ironie
Nicht jeder Konflikt muss todernst sein. Manchmal bringt ein humorvoller oder ironischer Ansatz die Szene auf ein anderes Level.
Wie wäre es mit:
Tom tritt auf eine der Scherben und flucht lautlos. Anna schaut ihn an, ihre Augenbrauen hochgezogen. Tom zeigt mit einem übertrieben schmerzverzerrten Gesicht auf seinen Fuß. Anna – unbeeindruckt – holt das Pflaster aus der Schublade und knallt es vor ihm auf den Tisch.

Subtext und Interpretation
Eine der spannendsten Aspekte nonverbaler Kommunikation ist, dass sie oft Spielraum für Interpretationen lässt. Deine Leser können in den Blicken und Gesten Deiner Figuren eigene Bedeutungen hineinlegen – und genau das macht solche Szenen so kraftvoll.
- Annäherung: Wenn Tom schließlich einen Schritt zurücktritt, könnte das als Entschuldigung oder als weiteres Zeichen von Abwehr interpretiert werden.
- Reaktionen: Annas langes Zögern, bevor sie die Scherbe auf den Tisch legt, kann als Wut oder als tiefere Enttäuschung gedeutet werden.
Deine Aufgabe: Probier’s selbst aus!
Jetzt bist Du dran. Hier ist die kleine Übung für Dich:
- Wähle zwei Figuren aus.
- Gib ihnen einen Konflikt – banal oder dramatisch, das ist Dir überlassen.
- Schreibe eine Szene, in der sie diesen Konflikt wortlos austragen.
- Nutze Gestik, Mimik, Körperhaltung und Schauplatz, um die Emotionen zu zeigen.
Wenn Du fertig bist, lies die Szene laut. Klingt sie lebendig? Spürt man die Spannung? Falls nicht, überarbeite sie ruhig – bis die Emotionen förmlich aus den Zeilen springen.

4 kleine Tipps: So gelingt Dir der Einstieg
Tipp 1
Beobachte Menschen im Alltag: Achte auf die Körpersprache von Menschen in Cafés, auf der Straße oder im Supermarkt. Welche Emotionen kannst Du erkennen?
Tipp 2
Schreibe kurze Szenen: Wähle einen einfachen Konflikt, z. B. eine Auseinandersetzung um einen Sitzplatz in einem Bus, und schreibe ihn ausschließlich mit nonverbaler Kommunikation.
Tipp 3
Nutze Spiegel und Videoaufnahmen: Versuche, Emotionen vor dem Spiegel oder in einem kurzen Video darzustellen. Dies hilft Dir, die feinen Nuancen von Gestik und Mimik besser zu verstehen.
Tipp 4
Schaue Filme und Serien: Besonders gute Schauspieler können durch ihre Körpersprache starke Emotionen vermitteln. Nutze diese als Inspiration.
Die berühmten Schlussgedanken
Emotionen ohne Worte zu schreiben ist eine Variante, die Dein Schreiben auf ein neues Level heben kann. Durch die gezielte Nutzung von Gestik, Mimik und Körpersprache schaffst Du nicht nur Spannung und Tiefe, sondern auch eine besonders intensive Verbindung zwischen Deinen Figuren und Deinen Lesern.
Probiere es aus! Schreibe eine Szene, in der Deine Figuren sich nicht durch Worte, sondern durch ihre Bewegungen, Blicke und Handlungen ausdrücken. Du wirst erstaunt sein, wie kraftvoll und lebendig Deine Geschichten dadurch werden können.
Teile die Szene auch gerne in den Kommentaren! Ich freue mich darauf!
Viel Erfolg beim Experimentieren – und denk daran: Die stärksten Emotionen brauchen oft keine Worte.
„Happy writing“!
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