Es ist einer dieser gemütlichen Nachmittage, die man sich wie eine warme Decke um die Schultern legt. Du sitzt in Deinem Lieblingscafé, einem Ort, der so vertraut ist, dass Du genau weißt, welcher Stuhl am Fenster am bequemsten ist. Um Dich herum murmelt die Welt vor sich hin: leise Gespräche, das leise Klirren von Tassen und das gelegentliche Summen der Kaffeemaschine. Alles scheint völlig normal – bis der Kellner Deinen Kaffee bringt. Doch halt, was ist das? Der Dampf, der aus Deiner Tasse aufsteigt, formt sich langsam zu etwas, das Du unmöglich ignorieren kannst: Ein kleiner Drache. Seine Flügel flattern, seine Augen funkeln schelmisch, und – ja, Du bildest es Dir nicht ein – er zwinkert Dir frech zu, bevor er sich wieder in normalen Kaffeedampf auflöst. Du blinzelst, schaust Dich um. Niemand im Café scheint das geringste Interesse an Deinem dampfenden Begleiter gehabt zu haben. Kein Schrei, kein entsetztes Aufstehen, kein „Hast du das gesehen?!“ Für alle anderen ist das offenbar so gewöhnlich wie die Tatsache, dass Kaffee schwarz ist. Willkommen „Magischer Realismus“!
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Anders als in der Fantasy, wo Magie oft groß, laut und voller epischer Schlachten daherkommt, hat Magische Realität etwas Heimliches an sich. Keine Einhörner, die Dir komplizierte Heldenquests auferlegen, keine dunklen Herrscher, die versuchen, Deine Existenz zu ruinieren. Die Magie ist hier leise, fast scheu, und taucht an den unmöglichsten Orten auf – in Deinem Kaffee, einem Baum, der Geschichten flüstert, oder einer alten Standuhr, die nur bei Regen die Zeit richtig anzeigt.
In diesem Beitrag möchte ich Dir erklären, was Magischer Realismus eigentlich ist, warum er so besonders und einzigartig ist und, was vielleicht am wichtigsten ist, wie Du ihn selbst in Deinem Schreiben einsetzen kannst. Also, schnapp Dir eine Tasse Tee – oder, wenn Du mutig bist, einen weiteren dieser magischen Kaffees – und lass uns gemeinsam eintauchen in den Zauber des Alltäglichen. Bereit? Dann lass uns loslegen.
Inhalt
Definition und Ursprünge: Wo Realität und Magie eins werden
Also, was genau ist Magischer Realismus?
Wie wäre es mit einer Welt, die unserer zum Verwechseln ähnlich ist: gleiche Straßen, gleiche Häuser, gleiche Alltagsdramen. Doch irgendwo, in den unscheinbaren Ecken dieser scheinbar gewöhnlichen Welt, lauert etwas Außergewöhnliches – Magie. Aber nicht die Art von Magie, bei der Zauberstäbe geschwungen oder feuerspeiende Drachen besiegt werden. Nein, hier wird Magie so beiläufig präsentiert, dass niemand auch nur mit der Wimper zuckt. Es ist, als ob das Übernatürliche einen Kaffee mit der Realität trinkt und sie sich perfekt verstehen.
Wenn Deine Großmutter Dir bei einem Familienessen von ihrem Lieblingskater erzählt, der vor Jahren gestorben ist. Sie aber anstatt traurig zu sein, Dir aber ganz sachlich erklärt, dass sein Geist sie abends noch besucht, um auf dem alten Schaukelstuhl zu schlafen. Und keiner am Tisch stellt diese Behauptung infrage. Warum auch? Es ist halt einfach so. Dann entsteht „Magischer Realismus“: Eine Welt, in der Magie kein Spektakel ist, sondern ein stiller, akzeptierter Teil des Lebens.

Woher kommt dieser faszinierende Ansatz?
Die Ursprünge des Magischen Realismus sind ebenso spannend wie das Genre selbst. Überraschenderweise liegt der Ursprung nicht in Lateinamerika – dem Kontinent, mit dem man diese Erzählform oft verbindet – sondern in Europa. Genauer gesagt, in Deutschland. (Ja, wirklich!) Der Begriff Magischer Realismus wurde erstmals in den 1920er Jahren von Franz Roh, einem deutschen Kunstkritiker, verwendet. Er beschrieb damit eine Kunstrichtung, bei der Künstler alltägliche Szenen malten, die von einem seltsam übernatürlichen Hauch durchdrungen waren. Die Werke wirkten realistisch und doch irgendwie entrückt – fast, als ob sie ein Geheimnis in sich trügen.
Doch während der Begriff in der Kunst seine Spuren hinterließ, war es Lateinamerika, das ihn in die Literatur brachte – und dort zum Strahlen brachte. Autoren wie Gabriel García Márquez (Hundert Jahre Einsamkeit) und Isabel Allende (Das Geisterhaus) (beide Bücher findest Du unter den Buchempfehlungen) nahmen diese Idee auf und verliehen ihr eine neue Dimension. In ihren Geschichten ist Magie nicht nur eine Zutat, sondern eine Lebenseinstellung. Sie durchzieht Familiengeschichten, historische Ereignisse und die täglichen Kämpfe der Figuren, ohne jemals ins Fantastische oder Übertriebene abzurutschen.
Warum gerade Lateinamerika? Vielleicht, weil dieser Kontinent selbst eine Geschichte hat, die sich wie ein magisches Epos anfühlt: eine Mischung aus kolonialer Vergangenheit, einheimischen Mythen, lebendigen Traditionen und einer tiefen Verbindung zur Natur. In dieser kulturellen und historischen Melange fand der Magische Realismus seinen perfekten Nährboden. Er wurde zu einem Spiegel, der nicht nur die Realität zeigte, sondern auch das Unsichtbare – die Magie, die tief in den Wurzeln des Lebens verankert ist.
So wurde aus einem deutschen Kunstbegriff ein literarisches Genre, das heute auf der ganzen Welt gefeiert wird. Autoren wie García Márquez behandelten Magie mit der gleichen Selbstverständlichkeit wie das Wetter: mal freundlich und ruhig, mal unberechenbar und stürmisch – aber immer da. Und das ist der wahre Kern des Magischen Realismus: die Verschmelzung von Magie und Alltag zu etwas, das nicht hinterfragt, sondern gelebt wird.

Merkmale des Magischen Realismus: Woran Du Magische Realität erkennst
Wie weißt Du aber, dass Du in die Welt des Magischen Realismus eingetaucht und nicht in einer klassischen Fantasy-Story gelandet bist? Ganz einfach: Der Magische Realismus hat einige ganz besondere Merkmale, die ihn unverwechselbar machen.
Magie im Alltäglichen
Vergiss spektakuläre Zauberschulen, feuerspeiende Drachen oder Portale, die Dich in Paralleluniversen katapultieren. Hier bleibt die Magie geerdet – sie lebt in Küchen, Hinterhöfen, Cafés und manchmal sogar in der staubigen Ecke Deines Dachbodens. Ein typisches Szenario: Du wachst eines Morgens auf und stellst fest, dass der Baum in Deinem Garten über Nacht goldene Äpfel gewachsen hat. Niemand dreht durch, ruft die Presse oder das Landwirtschaftsministerium. Deine Nachbarn kommen vielleicht vorbei, pflücken ein paar Äpfel und bedanken sich höflich. Es ist diese leise, fast schüchterne Präsenz von Magie, die den Magischen Realismus so charmant macht.
Diese Magie ist oft metaphorisch. Der Baum mit goldenen Äpfeln könnte für Fruchtbarkeit, Reichtum oder die Sehnsucht nach etwas Unerreichbarem stehen. Doch das Schöne daran? Du musst die Bedeutung nicht auseinandernehmen. Die Magie steht einfach da, wie ein gut platzierter Klecks Sahne auf Deinem Kuchen: angenehm und selbstverständlich.
Neutraler Erzählton
Wenn ein Hund die Lottozahlen vorhersagt, könnte das in einem anderen Genre dramatisch in Szene gesetzt werden: mystische Musik, geschockte Charaktere, ein Drama, das sich über mehrere Kapitel erstreckt. Nicht so im Magischen Realismus. Hier bleibt der Erzähler cool, fast schon unbeeindruckt. „Ach ja, Bruno, der Hund? Der macht das schon seit Jahren. Ist halt sein Ding.“
Dieser nüchterne Erzählton ist ein Markenzeichen des Genres. Er gibt der Magie etwas Alltägliches, fast Banales – und genau das macht sie so kraftvoll. Indem der Erzähler nicht betont, dass etwas Übernatürliches passiert, wird die Magie in den Alltag eingebettet, als wäre sie schon immer da gewesen. Für den Leser entsteht dadurch ein Gefühl von Staunen, weil man merkt: Ja, warum sollte das eigentlich nicht so sein?
Kulturelle und historische Tiefe
Magischer Realismus ist niemals nur eine Ansammlung von skurrilen Ideen. Oft spiegelt er die kulturellen und historischen Wurzeln der Geschichte wider. Die Magie entspringt nicht dem Bedürfnis, eine spektakuläre Handlung zu schaffen, sondern dem tiefen Wunsch, kulturelle Mythen, Traditionen und kollektive Erinnerungen lebendig zu halten.
In Lateinamerika, wo der Magische Realismus seine literarische Blütezeit erlebte, war er eine Antwort auf die komplexe Geschichte des Kontinents. Kolonialisierung, indigene Mythen, Revolutionen und die Verbindung zur Natur fließen in die Geschichten ein. Die Magie dient oft als Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Mythos und Realität. Wenn die Figur einer alten Frau nachts mit den Geistern ihrer Ahnen spricht, ist das nicht nur eine schöne Idee – es spiegelt den Respekt wider, den viele Kulturen vor ihren Vorfahren haben.
Übernatürliche Elemente werden nicht hinterfragt
Das vielleicht faszinierendste Merkmal des Magischen Realismus ist die Art und Weise, wie das Übernatürliche behandelt wird: Es wird nicht analysiert, erklärt oder hinterfragt. Es passiert einfach. Punkt.
Nehmen wir an, die Sonne wird plötzlich grün. In einem anderen Genre würde das große Diskussionen auslösen: Was bedeutet das? Was sagt die Wissenschaft? Im Magischen Realismus hingegen geht der Alltag weiter. Die Menschen bemerken es, nehmen es hin und reden vielleicht darüber, ob das Licht der grünen Sonne besser für ihre Zimmerpflanzen ist.
Dieser Mangel an Erklärungen verstärkt das Gefühl, dass Magie und Realität nicht getrennt sind. Es ist, als ob die Welt des Magischen Realismus uns leise zuflüstert: Du brauchst nicht alles zu verstehen. Manche Dinge existieren einfach, weil sie existieren.
Magie vs. Fantasie: Wo liegt der Unterschied? (Video)

Wie Magischer Realismus Geschichten bereichert
Warum solltest Du den Magischen Realismus – oder, wie wir ihn liebevoll nennen, die Magische Realität – in Deine Geschichten einbauen? Weil er Deinen Geschichten eine zusätzliche Dimension verleiht, die Leser in ihren Bann zieht und sie dazu bringt, über die Grenzen des Alltäglichen hinauszudenken. Es ist wie ein geheimes Gewürz, das den Geschmack Deiner Geschichte intensiviert, ohne dass jemand genau weiß, warum sie so besonders ist.
Deine Geschichte wird einzigartig
In einer Welt, in der sich viele Geschichten ähneln, sticht der Magische Realismus hervor. Er erlaubt Dir, eine vertraute Realität zu erschaffen, die durch subtile, magische Elemente einen völlig neuen Charakter erhält. Deine Leser finden sich in einer Welt wieder, die sie kennen, aber die durch die Magie eine unerwartete Wendung erhält. Ein Beispiel: Ein kleines Dorf, in dem der Wind die Gedanken der Bewohner flüstert. Die Magie wird dabei nicht zum Selbstzweck, sondern dient dazu, die Handlung und die Emotionen der Figuren auf eine Weise zu vertiefen, die in einer rein realistischen Geschichte schwer möglich wäre.
Emotionale und kulturelle Tiefe
Der Magische Realismus ist ein Meister darin, universelle Themen wie Liebe, Verlust, Identität und Erinnerung zu erkunden, ohne sich in altbekannten Klischees zu verlieren. Er erlaubt Dir, tiefe menschliche Erfahrungen darzustellen, indem er sie durch eine magische Linse betrachtet. Ein Baum, der flüstert, wenn die Liebenden unter seinen Ästen sitzen, kann zum Symbol für ewige Liebe werden. Eine Stadt, die jedes Jahr einen Tag lang verschwindet, könnte das Streben nach Zugehörigkeit oder das Gefühl von Vergänglichkeit darstellen.
Diese magischen Elemente berühren die Leser auf einer emotionalen Ebene, die Worte allein oft nicht erreichen können. Sie laden sie dazu ein, die Geschichte nicht nur zu verstehen, sondern zu fühlen – und das macht Geschichten unvergesslich.
Große Themen auf subtile Weise erforschen
Magischer Realismus ist perfekt, um sich mit „großen Themen“ auseinanderzusetzen, ohne zu schwerfällig oder moralisierend zu wirken. Du kannst mit Konzepten wie Tod, Erinnerungen, Gerechtigkeit oder Schicksal spielen, ohne sie direkt auszusprechen. Du möchtest beispielsweise das Thema Verlust darstellen? Dann könntest Du eine Figur erschaffen, die nach dem Tod ihres Partners beginnt, durch ihre Träume mit ihm zu sprechen. Die Magie dient hier als Mittel, um den Schmerz, die Liebe und die Sehnsucht greifbar zu machen, ohne den Leser mit expliziten Beschreibungen zu überwältigen.
Leser lieben das Unerwartete
Wer mag keine flüsternden Bäume, sprechenden Schmetterlinge oder Straßen, die im Mondlicht verschwinden? Magischer Realismus ist eine Einladung an die Leser, ihren inneren Skeptiker auszuschalten und sich auf das Staunen einzulassen. Diese Momente, in denen die Magie plötzlich und unerwartet auftaucht, wecken nicht nur die Fantasie, sondern auch die Neugier.
Das Unerwartete hat also eine besondere Macht: Es fesselt die Leser, lässt sie tiefer in die Geschichte eintauchen und gibt ihnen das Gefühl, dass sie etwas Einzigartiges erleben. Gleichzeitig bleibt die Basis der Geschichte – die Realität – stark genug, um eine emotionale Verbindung zu schaffen.
Die Kunst, zwischen Realität und Magie zu balancieren
Eine der größten Stärken des Magischen Realismus ist die Balance zwischen Magie und Realität. Die Magie darf niemals überhandnehmen oder wie ein Fremdkörper wirken. Sie ist subtil, beinahe unscheinbar, und doch verleiht sie der Geschichte eine Tiefe, die reine Realität oder reine Fantasy nicht erreichen können.
In Gabriel García Márquez’ Hundert Jahre Einsamkeit gibt es beispielsweise eine Figur, die eines Tages einfach in den Himmel schwebt, während sie Wäsche aufhängt. Es ist ein magischer Moment, aber er wird so erzählt, als sei er das Natürlichste auf der Welt. Das Publikum nimmt die Magie hin, weil sie perfekt in die Struktur der Geschichte eingebettet ist.

4 Tipps, um Magischen Realismus zu schreiben
Den Magischen Realismus in Deinen Geschichten zum Leben zu erwecken, ist keine Raketenwissenschaft, aber es erfordert Fingerspitzengefühl. Es geht darum, die Magie so elegant in den Alltag einzuflechten, dass die Leser nicht einmal merken, wie tief sie gerade in eine andere Realität eintauchen. Hier sind ein paar praktische Tipps, die Dir helfen, die Magische Realität zu meistern.
Tipp 1: Finde die Magie im Alltäglichen
Schau Dich in Deiner eigenen Umgebung um. Der Magische Realismus lebt davon, dass das Übernatürliche scheinbar zufällig in den Alltag tritt – oft so subtil, dass es fast übersehen wird. Vielleicht fällt Dir auf, dass die Katze Deines Nachbarn immer dann auf der Fensterbank sitzt, wenn jemand in der Straße schlechte Nachrichten erhält. Könnte sie ein stiller Bote des Unglücks sein?
Oder nimm diese alte, rostige Küchenuhr, die Du von Deiner Großmutter geerbt hast. Niemand hat sie je repariert, und doch fängt sie genau bei Vollmond plötzlich an zu ticken. Sie gibt nicht die genaue Zeit an, sondern markiert Momente, die das Leben verändern.
Die Magie im Alltäglichen zu entdecken, beginnt mit aufmerksamer Beobachtung. Öffne Deine Augen für die kleinen Eigenheiten und Zufälle um Dich herum. Was zunächst wie ein kurzes Kopfschütteln über „komische Zufälle“ wirkt, könnte die perfekte Grundlage für ein magisches Element in Deiner Geschichte sein.
Tipp 2: Bleib ruhig
Das Herzstück des Magischen Realismus ist sein unaufgeregter Ton. Der Erzähler beschreibt magische Ereignisse, als seien sie genauso gewöhnlich wie der tägliche Kaffee. Es gibt kein großes „Trommelwirbel, Magie ist da!“. Stattdessen gleitet die Magie in die Geschichte, als hätte sie schon immer dazugehört.
Nehmen wir nochmal das Beispiel von vorhin. Wenn Deine Hauptfigur also eines Morgens entdeckt, dass in ihrem Garten ein Baum gewachsen ist, der goldene Äpfel trägt. Wie würdest Du das beschreiben? Nicht mit „Oh mein Gott, GOLDENE ÄPFEL!“, sondern mit einem schlichten: „Am nächsten Morgen stand ein Baum im Garten, dessen Äste schwere, golden leuchtende Früchte trugen. Es war ein guter Tag für Apfelkuchen.“
Dieser neutrale Ton ist entscheidend, weil er die Magie noch wundersamer macht. Sie fühlt sich realer an, wenn sie nicht als etwas Außergewöhnliches hervorgehoben wird.
Tipp 3: Halte die Magie subtil
Im Magischen Realismus ist die Magie wie ein Flüstern im Wind – sie schleicht sich unauffällig ein und verschwindet ebenso leise wieder. Das bedeutet: keine Explosionen, keine Superkräfte, keine epischen Zauberduelle. Die Magie sollte wie ein Schatten sein, der nur im richtigen Licht sichtbar wird.
Vielleicht beginnt eine alte Frau, nach dem Tod ihres Mannes, immer zur gleichen Uhrzeit auf dem Marktplatz mit einem Vogel zu sprechen. Die Leute bemerken es, aber niemand spricht es an. Oder in einem kleinen Dorf vergisst jeder, der ein bestimmtes Haus betritt, warum er dort war – aber alle akzeptieren es, als wäre es die normalste Sache der Welt.
Die Magie sollte nie im Vordergrund stehen oder die Handlung dominieren.
Tipp 4: Verankere die Magie in der Realität
Was den Magischen Realismus so kraftvoll macht, ist seine tiefe Verankerung in der Realität. Die magischen Elemente sind nicht aus der Luft gegriffen; sie entspringen den Menschen, der Kultur und der Welt, die Du beschreibst.
Ein besonders wirkungsvolles Mittel ist es, die Magie in kulturelle oder familiäre Traditionen einzubetten. Vielleicht basiert die Magie auf einer alten Legende, die in der Welt Deiner Geschichte erzählt wird. Eine Mutter könnte ihrem Kind jeden Abend die Geschichte eines Flusses erzählen, der Menschen mit reinen Herzen sicher ans andere Ufer trägt – und eines Tages stellt das Kind fest, dass der Fluss tatsächlich existiert.
Oder die Magie könnte aus einer persönlichen Erinnerung entstehen. Ein alter Mann, der seinen Hund verloren hat, hört nachts sein leises Bellen – eine Manifestation seiner Sehnsucht, die so real ist, dass sie von anderen wahrgenommen wird.
Magischer Realismus funktioniert am besten, wenn die Magie nicht von außen aufgezwungen wirkt, sondern organisch aus der Welt hervorgeht, die Du erschaffen hast. Sie sollte eine natürliche Erweiterung dessen sein, was Deine Charaktere glauben, erleben und fühlen.

Schreibübung: Magie im Alltag entdecken
Hast Du Lust, selbst in die Welt des Magischen Realismus einzutauchen? Hier ist eine Übung, die Dich dazu bringt, die Magie in den kleinen, unscheinbaren Momenten zu finden und sie so zu beschreiben, dass sie ganz selbstverständlich wirkt.
Die Aufgabe
Schreibe eine Szene, in der etwas Seltsames oder Übernatürliches passiert – aber niemand in der Geschichte hinterfragt es. Kein großes Drama, keine Aufregung. Die Magie wird einfach akzeptiert.
Ein Beispiel zur Inspiration
Ein Bäcker öffnet jeden Morgen seinen Laden. Aber statt einfach einen Schlüssel zu benutzen, murmelt er ein seltsames, altes Zauberwort, und die Tür springt knarrend auf. Warum? Weil die Tür verflucht ist. Kein großer Fluch – sie weigert sich einfach, auf herkömmliche Weise geöffnet zu werden. Aber das ist für den Bäcker kein Problem. Er hat sich an den seltsamen Zauber gewöhnt, und die Kunden? Die zucken mit den Schultern und warten geduldig, bis das Ritual vorbei ist. „Ach ja, typisch für diese Tür“, murmelt die alte Frau mit dem Dackel, während sie auf ihr Brötchen wartet.
Dein Ziel
Versuche, die Magie in Deinem Text so beiläufig wie möglich zu beschreiben. Zeige, dass weder die Figuren noch der Erzähler die Magie als außergewöhnlich empfinden. Sie ist einfach ein Teil des Lebens – wie das Wetter oder die Müllabfuhr.
Einige mögliche Szenarien:
- Ein Postbote, der Briefe zustellt, die aus der Zukunft stammen – und trotzdem nie aus der Ruhe gerät, wenn die Empfänger verwundert reagieren.
- Ein Straßenmusiker, dessen Melodien nicht nur Menschen, sondern auch Blumen zum Tanzen bringen – und niemand in der Fußgängerzone schenkt dem große Beachtung.
- Ein alter Fahrstuhl in einem Mietshaus, der nur in die richtige Etage fährt, wenn man ihm vorher ein Kompliment macht.
Weitere Übung
Schau Dir auch gerne den Beitrag „Schreibübung #3: Der magische Gegenstand“ an. Hier habe ich ein ähnliches Thema aufgegriffen.
Die berühmten Schlussgedanken
Magischer Realismus ist weit mehr als nur ein literarisches Genre – es ist eine Einladung, die Welt mit anderen Augen zu betrachten. Es fordert uns auf, hinter das Alltägliche zu blicken, die unscheinbaren Details zu erforschen und die Möglichkeit zuzulassen, dass Magie vielleicht doch existiert. Es ist ein kreativer Freifahrtschein, um das Gewöhnliche mit dem Außergewöhnlichen zu verweben, ohne dabei die Verbindung zur Realität zu verlieren.
Für uns Schriftsteller birgt dieser Stil ein besonderes Geschenk: die Freiheit, das Banale in etwas Wunderbares zu verwandeln. Und all das wird mit einer Selbstverständlichkeit beschrieben, die Leser verzaubert, ohne sie jemals mit übermäßigem Drama zu überfordern.
Wenn Du Dich als Autor auf den Magischen Realismus einlässt, erweiterst Du nicht nur Dein Repertoire, sondern auch Deine Sichtweise auf die Welt. Du lernst, Magie in den kleinen Dingen zu entdecken: im Spiel von Licht und Schatten, im Rascheln der Blätter oder im scheinbar banalen Ritual des Brotbackens. Es geht nicht darum, große magische Schlachten oder komplexe Zaubersysteme zu erfinden – es geht darum, die Magie im Alltäglichen zu finden und sie so darzustellen, dass sie für Deine Leser ebenso selbstverständlich wird wie für Deine Figuren.
Also, worauf wartest Du noch? Schnapp Dir Deine Feder, Deine Tastatur oder sogar Deinen Lieblingsstift und mach Dich ans Werk. Lass Dich von der Magischen Realität inspirieren. Und teile Deine ersten Ideen auch gerne in den Kommentaren mit uns!
Und das Schönste daran? In der Magischen Realität sind keine Fragen erlaubt. Niemand wird sich wundern, und genau das macht diesen Stil so wunderbar erfrischend.
„Happy writing“!
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