Am Anfang des Schreibens einer Geschichte hat man besonders als Anfänger eine endlose Flut von Fragen und Zweifeln. Wie erschaffe ich fesselnde Charaktere? Wie entwickele ich eine mitreißende Handlung? Und vor allem, wie bringe ich alles in eine strukturierte Form, die Leser von Anfang bis Ende fesselt? Wie soll man all die Ideen und Charaktere ordnen? Hier kommt die Snowflake-Methode ins Spiel, eine von mehreren Techniken, die Dir dabei helfen kann, Deine Geschichte zu strukturieren und zu formen.
Die Snowflake-Methode ist nicht nur eine reine Methode, sondern auch ein kreativer Prozess, der Dich Schritt für Schritt durch die Entwicklung Deiner Geschichte führt. Sie beginnt mit einer einfachen Idee und entfaltet sich dann zu einem komplexen Netzwerk von Charakteren, Handlungssträngen und Wendepunkten.
Inhalt
Was ist die Snowflake-Methode?
Die Snowflake-Methode ist eine Möglichkeit des Plottens, die ihren Ursprung in der Kreativität des renommierten Schriftstellers Randy Ingermanson hat. Ihr Kernkonzept besteht darin, eine Geschichte schrittweise von einer einfachen Idee zu einer komplexen und strukturierten Erzählung zu entwickeln. Stell Dir vor, dass Du eine Schneeflocke betrachtest: Sie beginnt als einfacher Eiskern und wächst dann durch wiederholte Musterbildung zu einem einzigartigen und komplexen Gebilde heran. Genau wie die Schneeflocke beginnt auch Deine Geschichte mit einer simplen Idee, die sich im Laufe des kreativen Prozesses entwickeln und verfeinern wird.
Der Name „Snowflake“ (Schneeflocke) trägt eine metaphorische Bedeutung, die das Wesen dieser Methode treffend beschreibt. Ähnlich wie beim Wachsen einer Schneeflocke durch wiederholte Musterbildung und Verzweigung, wird Deine Geschichte durch die Snowflake-Methode schrittweise ausgebaut und verfeinert. Jeder Schritt fügt ein neues Detail hinzu, das die Geschichte reicher und komplexer macht, bis am Ende ein einzigartiges und strukturiertes Werk entsteht. Doch keine Sorge, auch wenn der Prozess auf dem ersten Blick komplex erscheinen mag, ist die Snowflake-Methode zugänglich und für Anfänger gut geeignet.

Die zehn Schritte der Snowflake-Methode
Die Snowflake-Methode von Randy Ingermanson besteht aus zehn Schritten, die Dir helfen, Deine Geschichte systematisch zu entwickeln und zu strukturieren. Diese Schritte sind also die Bausteine, aus denen Deine Geschichte aufgebaut wird und führen Dich von einer einfachen Idee zu einem komplexen Plot.
Schritt 1: Die Ein-Satz-Zusammenfassung
Hierbei geht es darum, die gesamte Handlung auf den Punkt zu bringen und die Essenz Deiner Geschichte in einem einzigen Satz (mit maximal 15 Wörtern) einzufangen. Klingt herausfordernd? Keine Sorge, es ist einfacher als es scheint! Stell Dir vor, Du würdest Deine Idee einem Freund in nur einem Satz erklären – was wäre das Wichtigste, was Du ihm mitteilen würdest?
Ein Beispiel könnte lauten:
„Eine Zauberin muss ihre magischen Fähigkeiten gegen dunkle Mächte einsetzen, um das Königreich zu retten.“
Dieser Satz gibt uns bereits einen Einblick in die Hauptfigur, ihr Ziel und die Herausforderungen, die sie überwinden muss.
Um Deine eigene Ein-Satz-Zusammenfassung zu erstellen, überleg Dir zunächst, wer Deine Hauptfigur ist, welches Ziel sie verfolgt und welchen Hindernissen sie begegnet. Halte den Satz so kurz und prägnant wie möglich, aber gleichzeitig aussagekräftig.
Zeitumfang für Schritt 1: ca. 1 Stunde
Schritt 2: Die Fünf-Satz-Zusammenfassung
Anschließend wird der erste Schritt erweitert. Es folgt die Fünf-Satz-Zusammenfassung. Dabei sollen die Sätze letztendlich Deine komplette Geschichte widerspiegeln, indem sie die wichtigsten Handlungspunkte und Charaktere umreißen.
- Satz 1: Der Beginn Deiner Geschichte mit den Hauptcharakteren und dem Ort.
- Satz 2: Es folgt der erste Konflikt oder die erste Herausforderung, auf die der Charakter trifft.
- Satz 3: Während der Charakter versucht den ersten Konflikt zu bewältigen, kommt bereits der zweite Konflikt und eine zweite Herausforderung.
- Satz 4: Aller „guten“ Dinge sind drei. Ein dritter Konflikt oder Herausforderung tritt ein.
- Satz 5: Das Ende Deiner Geschichte mit der möglichen Lösung aller Konflikte und Herausforderungen.
Zeitumfang für Schritt 2: ca. 1 Stunde

Schritt 3: Die Charaktere
Hierbei geht es darum, Deine Figuren zum Leben zu erwecken und sie nahtlos in Deine Handlung zu integrieren. Charaktere sind essenziell für jede Geschichte – sie verleihen die notwendige Tiefe, Emotionen und Authentizität. Aber wie entwirfst Du überzeugende Charaktere?
Beginne mit dem Namen und damit, Dir die Motivationen, Konflikte und Entwicklungspotenziale Deiner Charaktere klar vor Augen zu führen.
- Was treibt sie an?
- Welche Ziele verfolgen sie?
- Welche Ängste oder Konflikte müssen sie überwinden, um diese Ziele zu erreichen?
Indem Du Deine Charaktere mit starken Motivationen und inneren Konflikten ausstattest, machst Du sie greifbar und menschlich.
Denke hierbei auch an eine vielschichtige Persönlichkeit. Kein Charakter ist ausschließlich gut oder böse – sie sollten Ecken und Kanten haben, Stärken und Schwächen, die sie einzigartig machen. Überlege Dir auch, wie sich Deine Charaktere im Laufe der Geschichte entwickeln und verändern.
- Welche Lektionen lernen sie?
- Welche Entscheidungen treffen sie, die ihr Schicksal beeinflussen?
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist es, Deine Charaktere durch Handlungen und Dialoge zum Leben zu erwecken, anstatt sie nur zu beschreiben. Zeige ihre Wesenszüge durch ihre Taten und Entscheidungen und lass sie mit anderen interagieren, um ihre Beziehungen und Dynamiken zu enthüllen.
Zeitumfang für Schritt 3: ca. 1 Stunde (pro Charakter)
Schritt 4: Die Fünf-Absatz-Zusammenfassung
Für diesen Schritt nimmst Du Deine fünf Sätze aus dem zweiten Schritt und fügst zu jedem Satz noch mindestens 5 Sätze hinzu. Somit erhältst Du am Ende 5 Absätze mit jeweils 5 Sätzen, die Deine Geschichte grob zusammenfassen.
Folgende Fragen können Dir dabei helfen:
- Was genau passiert in diesem Teil der Geschichte?
- Wie beeinflussen die Ereignisse (beispielsweise die Konflikte und Herausforderungen) die Charaktere?
- Was sind mögliche Konsequenzen?
- Welche Charaktere sind in diesem Teil involviert?
Das Ziel dieses Schritts sollte sein, dass Du merkst, ob die Handlung so funktioniert und Du daraus eine gute Geschichte schreiben kannst. Wenn nicht, ist es nicht schlimm. Noch hast Du nicht Wochen oder Monate an dem Buch geschrieben! Es ist also eine gute Zeit nachzubessern.
Zeitumfang für Schritt 4: ca. 1 Tag

Schritt 5: Charakterbeschreibung
In Schritt 5 nimmst Du Dir die Zeit, Deine Figuren noch näher zu betrachten. Hierfür schreibst Du eine Beschreibung und die Geschichte aus Sicht der einzelnen Charaktere. Je Charakter sollte etwa eine Seite zusammenkommen.
Folgende Gedanken können Dir dabei helfen:
- Was denkt und fühlt der Charakter?
- Was sind die Ziele und Motivationen?
- Wie reagiert der Charakter auf die Ereignisse?
- Wie entwickelt sich der Charakter weiter?
- Wie beeinflusst der Charakter die Geschichte?
Nach diesem Schritt hast Du bereits eine gute Struktur sowie Übersicht. Die nächsten Schritte gehen nun mehr in die Tiefe Deiner Geschichte.
Zeitumfang für Schritt 5: ca. 1 – 2 Tag
Schritt 6: Die Vier-Seiten-Zusammenfassung
Bei diesem Schritt greifst Du auf Deine fünf Absätze mit jeweils 5 Sätzen zurück. Und erweiterst sie. Versuche für den Beginn und das Ende ca. eine halbe Seite zu schreiben und die drei Konflikte, bzw. Herausforderungen auf jeweils einer Seite auszuarbeiten. Am Ende erhältst Du vier Seiten mit einer Zusammenfassung Deiner Geschichte.
Dieser Schritt hilft Dir dabei, bereits die ersten Strategien zu entwickeln. Außerdem siehst Du, ob die Geschichte logisch aufgebaut ist. Ist dem nicht so, solltest Du die vorherigen Schritte überarbeiten.
Zeitumfang für Schritt 6: ca. 1 Woche
Schritt 7: Erweiterte Charakterbeschreibung
Wir kehren zurück zu den Charakteren. Bereits in Schritt 3 und 5 hast Du Dich mit Deinen Figuren beschäftigt. Nun wird es Zeit noch detaillierter zu werden. Arbeite die Hintergrundgeschichten eines jeden Charakters aus.
Folgende Punkte können Dir dabei helfen:
- Grundlegende Daten: Name, Geschlecht, Alter, Herkunft, Beruf, etc.
- Erscheinungsbild: Größe, Gewicht, Haarfarbe, Kleidung, Stimmfarbe, etc.
- Innere Persönlichkeit: Haltung, Moral, Lebenseinstellung, Wünsche, Interessen etc.
- Äußere Persönlichkeit: Erziehung, gesellschaftlicher Status, Freundeskreis, Beziehungen
Und natürlich auch an dieser Stelle – Du gehst in diesem Schritt tief und detailliert auf jeden Charakter ein. Wenn Du bemerkst, dass es mit der Handlung nicht mehr übereinstimmt, dann passe gerne die Ergebnisse aus den vorherigen Schritten an.
Zeitumfang für Schritt 7: ca. 1-2 Woche (je nach Anzahl der Charakter auch mehr)
Schritt 8: Die Szenen-Tabelle
Bei Schritt 6 hast Du bereits eine Zusammenfassung Deiner Geschichte über vier Seiten geschrieben. Diese kannst Du nun für diesen Schritt natürlich als Grundlage verwenden. Die Aufgabe im achten Schritt ist eine Auflistung aller Szenen in Deiner Geschichte. Und ja, ich weiß, das ist eine Menge, daher auch die Tabelle, um den Überblick behalten zu können.
Die Tabelle solltest Du im besten Fall wie folgt anlegen:
- Je Szene eine Zeile
- Spalten unterteilen in:
- Name der Szene
- Aus welcher Perspektive wird erzählt
- Beschreibung der Handlung
Spalten können bei Bedarf auch noch ergänzt werden:
- Tageszeit
- Wetter
- Stimmung
- Wichtige Informationen
- etc.
Nach diesem Schritt wirst Du eine Tabelle mit bestimmt ca. 100 Szenen (sofern Du vorhast einen Roman zu schreiben) bekommen. So erhältst Du eine umfassende Übersicht von Deiner Geschichte und kannst sogar die Szenen bei Bedarf verschieben.
Zeitumfang für Schritt 8: sehr individuell

Schritt 9: Die Szenenbeschreibung
Nachdem Du Deine Charaktere kennst und eine grobe Vorstellung von Deiner Handlung hast, ist es Zeit, zur Szenenbeschreibung überzugehen. Dieser Schritt wird allerdings oft als optional angesehen. Theoretisch könntest Du also auch direkt mit dem letzten Schritt weitermachen.
Sofern Du dennoch diesen Schritt mitnehmen möchtest, dann ist nun die Aufgabe jede Szene mit weiteren Ergänzungen zu bearbeiten. Jede Szene sollte über ein oder mehrere Absätze verfügen und einen Zweck haben, der die Handlung vorantreibt. Wendepunkte beispielsweise sind entscheidende Momente in einer Geschichte, in denen sich der Verlauf der Handlung ändert. Integriere diese geschickt in Deine Szenen, um die Spannung zu erhöhen. Aber auch Beschreibungen, Dialoge und Handlungen werden Deine Szenen lebendiger und authentischer wirken lassen. Am Ende erhältst Du dann eine Zusammenfassung Deiner Geschichte, die etwa 50 Seiten umfasst.
Zeitumfang für Schritt 9: sehr individuell
Schritt 10: Schreiben, schreiben, schreiben
Nun ist es soweit! Du hast alle Eckpunkte und Grundlagen für Deine Geschichte ausgearbeitet. Es ist an der Zeit den ersten vollwärtigen Entwurf zu schreiben.
Nutze alle Informationen und Notizen, die Du bis hierher gemacht hast und lass Deiner Kreativität freien Lauf. Während des Schreibens wirst Du sicherlich feststellen, dass es an einigen Stellen doch nicht so passt. Das macht überhaupt nichts und ist auch ganz normal. Passe einfach die einzelnen Schritte (insbesondere die Charaktere, wenn Du diese verändern möchtest und die Szenen-Tabelle) den neuen Bedürfnissen an.
Zeitumfang für Schritt 10: sehr individuell
Snowflake-Methode: Pro und Contra
Wenn es darum geht, die Vor- und Nachteile der Snowflake-Methode zu betrachten, gibt es wie immer verschiedene Aspekte zu berücksichtigen. Folgende Gedanken solltest Du daher bei der Überlegung, ob Dir diese Methode liegen könnte, einbeziehen.
Pro:
Strukturiertes Vorgehen
Die Snowflake-Methode führt Dich Schritt für Schritt durch den Prozess der Plotentwicklung. Das kann besonders für Anfänger hilfreich sein, die nach einer klaren Anleitung suchen. Durch die Strukturierung Deiner Geschichte von Anfang an kannst Du sicherstellen, dass Du keine wichtigen Elemente vergisst und eine umfangreiche Handlung erschaffst.
Flexibilität
Obwohl die Methode einen klaren Rahmen bietet, ist sie dennoch anpassungsfähig genug, um Deinen individuellen Bedürfnissen und Vorlieben gerecht zu werden.
Anpassung
Du kannst die Methode an deine spezifischen Anforderungen anpassen und sie flexibel nutzen, um Deinen eigenen Schreibstil und Deine kreativen Ideen zu integrieren.
Contra:
Mechanisch / restriktiv
Das strikte Folgen eines vorgegebenen Plans kann dazu führen, dass die kreative Freiheit eingeschränkt und der natürliche Fluss der Geschichte behindert wird. Einige Autoren bevorzugen daher einen freieren, intuitiveren Ansatz beim Schreiben, der weniger strukturiert ist.
Zäh und langwierig
Das detaillierte Ausarbeiten von Charakteren, Szenen und Handlungssträngen kann zeitaufwendig sein und erfordert eine gewisse Ausdauer. Du könntest möglicherweise ungeduldig werden und den Wunsch verspüren, sofort mit dem eigentlichen Schreiben zu beginnen, anstatt Dich intensiv mit der Planung zu beschäftigen.
Die berühmten Schlussgedanken
Die Snowflake-Methode ist nur eine von vielen Plotting-Methoden, die Du ausprobieren kannst. Jeder Autor hat seinen eigenen Schreibstil und seine eigenen Vorlieben, daher ist es wichtig, verschiedene Ansätze zu erkunden. So kannst Du denjenigen finden, der am besten zu Dir passt. Sei gerne offen für neue Ideen und Experimente und lass Dich nicht entmutigt, wenn nicht jeder Ansatz auf Anhieb funktioniert. Das Schreiben ist ein kreativer Prozess, der Zeit, Geduld und Übung erfordert.
Hast Du bereits die Snowflake-Methode oder eine andere ausprobiert? Berichte gerne über Deine Erfahrungen und schreibe sie in die Kommentare. Ich freue mich darauf!
Viel Spaß nun beim Ausprobieren der Snowflake-Methode und … „Happy writing“!
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