Erinnerungen haben eine magische Kraft. Sie formen unsere Identität, beeinflussen unsere Entscheidungen und wecken Gefühle, die tief in uns verwurzelt sind. Doch was passiert, wenn diese Erinnerungen nicht klar und greifbar sind, sondern nur wie ein Schatten am Rande unseres Bewusstseins schweben? Genau an diesem Punkt setzt diese Schreibübung an. „Er war sicher, dass er diesen Ort schon einmal gesehen hatte, aber wann?“ – ein einfacher Satz, der sofort Fragen aufwirft und das Potenzial für eine spannende Geschichte birgt.
In diesem Artikel zeige ich Dir, wie Du diese Schreibaufforderung meisterst. Du lernst, wie Du Erinnerungen wecken und damit Deine Leser fesseln kannst. Dabei gehen wir Schritt für Schritt vor, sodass Du am Ende eine solide Basis für Deine Geschichte hast. Selbst wenn Du neu im kreativen Schreiben bist, wirst Du merken, wie Deine Worte nach und nach eine eigene Dynamik entwickeln.
Inhalt
Die Schreibaufforderung
„Er war sicher, dass er diesen Ort schon einmal gesehen hatte, aber wann?“
Dieser Satz ist der Ausgangspunkt unserer Übung. Vielleicht hast Du sofort eine Szene im Kopf, oder vielleicht erscheint Dir der Ort mysteriös und unheimlich. Beide Ansätze sind völlig in Ordnung! Der Trick bei dieser Übung besteht darin, die Erinnerung zu gestalten und schrittweise aufzubauen. Diese erste Zeile gibt Dir die Möglichkeit, den Leser sofort neugierig zu machen und ihm eine Frage zu stellen, die im Laufe der Geschichte beantwortet werden muss.
Denk daran, dass Erinnerungen sehr subjektiv sind. Sie können verschwommen, ungenau oder selektiv sein und oft tragen sie eine emotionale Bedeutung. In dieser Übung kannst Du also mit den Gefühlen Deiner Figur arbeiten, während sie versucht, das Geheimnis hinter ihrer Erinnerung zu entschlüsseln.

Schreibziele der Übung: Was lernst Du dabei?
Mit dieser Übung lernst Du, wie Du Erinnerungen in einer Geschichte so geschickt einbaust, dass sie den Leser emotional packen und ihm das Gefühl geben, als sei er selbst Teil der Szene. Du übst, wie Du eine unklare Erinnerung Stück für Stück in eine klare Erzählung verwandelst, und gleichzeitig baust du Spannung auf. Erinnerungen sind oft eng mit Emotionen verbunden und genau diese emotionale Ebene wollen wir in dieser Schreibübung nutzen.
Hier sind einige der Schreibtechniken, die Du in dieser Übung vertiefen wirst:
- Atmosphäre schaffen: Du lernst, wie Du die Umgebung so beschreibst, dass sie zum Leben erwacht und eine spezielle Stimmung erzeugt.
- Innere Monologe: Die Gedanken Deiner Figur sind der Schlüssel zu ihrer Erinnerung. Du übst, wie Du diese Gedanken geschickt einsetzt, um die Handlung voranzutreiben.
- Spannungsaufbau: Der Leser wird neugierig sein, was es mit diesem Ort auf sich hat. Du lernst, wie du die Spannung allmählich steigerst und den Leser bei der Stange hältst.
Die Schreibaufforderung im Detail
Jetzt gehen wir einen Schritt weiter und zerlegen die Schreibaufforderung in ihre Einzelteile, damit Du genau weißt, wie Du vorgehen kannst.
Erster Satz
„Er war sicher, dass er diesen Ort schon einmal gesehen hatte, aber wann?“ Dieser Satz ist stark, weil er sofort zwei Dinge etabliert: Vertrautheit und Unklarheit. Der Ort ist bekannt, aber der Zeitpunkt ist ungewiss. Das erzeugt ein Gefühl von Neugier und Dringlichkeit. Wer ist „er“? Wo ist dieser Ort? Wann hat er ihn gesehen? Diese Fragen sollen im Kopf Deines Lesers auftauchen.
Was folgt auf den ersten Satz?
Deine nächste Aufgabe besteht darin, den Ort zu beschreiben. Wie sieht er aus? Wie fühlt sich Deine Figur an diesem Ort? Ist er unbehaglich oder nostalgisch? Du kannst zunächst vage bleiben, damit die Verwirrung und Unsicherheit der Figur auch beim Leser ankommt.
Erinnerungen stückweise einfügen
Die Figur wird vielleicht beginnen, kleine Details zu bemerken. Ein bestimmter Geruch, ein Geräusch oder ein Objekt könnte eine Welle von Erinnerungen auslösen. Hier ist es wichtig, nicht zu früh zu viel preiszugeben. Lass die Erinnerungen langsam auftauchen, um Spannung zu erzeugen.
Emotionale Verbindung herstellen
Erinnerungen wecken oft starke Gefühle – Freude, Trauer, Angst oder Hoffnung. Nutze diese Emotionen, um Deiner Geschichte Tiefe zu verleihen. Vielleicht erinnert sich Deine Figur an eine glückliche Kindheit, die nun im Kontrast zur aktuellen Situation steht. Oder der Ort erinnert sie an jemanden, den sie verloren hat.

Beispiel: Wie Du die Übung umsetzen kannst
Hier ein Beispiel, wie eine Geschichte aussehen könnte, die mit dem Satz beginnt: „Er war sicher, dass er diesen Ort schon einmal gesehen hatte, aber wann?“
„Er war sicher, dass er diesen Ort schon einmal gesehen hatte, aber wann?“
Max blieb mitten auf der Straße stehen. Die Pflastersteine unter seinen Füßen waren feucht vom Regen, der vor ein paar Stunden gefallen war. Er atmete tief durch, und da war es – dieser Geruch. Feuchte Erde und etwas, das er nicht genau benennen konnte. Es war vertraut. Ein seltsames Kribbeln breitete sich in seinem Magen aus. Woher kannte er diesen Ort?
Seine Augen wanderten über die Fassaden der alten Häuser. Die Farbe blätterte ab, die Fenster waren teilweise vernagelt, doch etwas an der schmalen Gasse kam ihm bekannt vor. Es war, als hätte er hier schon einmal gestanden. Doch wann?
Max schloss die Augen und versuchte, sich zu konzentrieren. Bilder flackerten in seinem Kopf auf, verschwommen und kaum greifbar. War er hier als Kind gewesen? Mit seinen Eltern? Nein, das fühlte sich nicht richtig an. Es war eher… später. Er konnte es nicht fassen. Ein Schauder lief ihm über den Rücken, als er die Augen wieder öffnete. Irgendetwas stimmte hier nicht.
Dieses kurze Beispiel zeigt Dir, wie Du die Atmosphäre des Ortes nutzen kannst, um die Erinnerung stückweise aufzubauen. Hier bleiben die Details zunächst vage, sodass sowohl die Figur als auch der Leser sich langsam an den Ort herantasten.
5 Tipps zum Umsetzen der Übung
Tipp 1: Beschreibe den Ort detailliert
Beginne mit einer klaren Beschreibung des Ortes. Nutze alle fünf Sinne – Geruch, Geräusche, visuelle Eindrücke, Berührungen und sogar Geschmäcker, um den Ort lebendig zu machen. Erinnerungen sind oft mit bestimmten Sinnen verknüpft. Vielleicht erinnert ein bestimmter Duft Deine Figur an eine vergangene Zeit oder ein bestimmtes Geräusch löst eine Erinnerung aus.
Tipp 2: Nutze die Unklarheit bewusst
Der Trick bei dieser Übung besteht darin, dass die Figur nicht sofort alles weiß. Sie hat das Gefühl, den Ort zu kennen, aber die Erinnerung ist verschwommen. Das gibt Dir die Möglichkeit, Spannung aufzubauen, indem Du dem Leser nach und nach kleine Hinweise gibst, ohne sofort alles zu erklären.
Tipp 3: Emotionen stehen im Vordergrund
Erinnerungen sind nie neutral – sie sind fast immer emotional aufgeladen. Überlege, welche Emotionen Deine Figur mit diesem Ort verbindet. Ist es Freude, Angst, Wut oder Trauer? Diese Emotionen beeinflussen, wie die Figur den Ort wahrnimmt und was sie in ihrer Erinnerung hervorruft.
Tipp 4: Verwende innere Monologe
Die Gedanken Deiner Figur sind der Schlüssel, um die Erinnerung nach und nach aufzudecken. Zeige, wie sie versucht, die Puzzleteile ihrer Erinnerung zusammenzusetzen. Nutze innere Monologe, um ihre Verwirrung, Frustration oder auch Neugier zu verdeutlichen.
Tipp 5: Halte die Spannung aufrecht
Gib nicht zu früh zu viele Informationen preis. Halte den Leser im Unklaren, aber gib ihm genug Hinweise, damit er neugierig bleibt. Du kannst die Spannung auch steigern, indem Du falsche Fährten legst oder die Figur an etwas erinnert wird, das sie lieber vergessen hätte.

Erweiterte Version der Übung: Erinnerungen in verschiedenen Genres
Wenn Du die Übung vertiefen möchtest, kannst Du auch mit verschiedenen Genres experimentieren:
- Horror: Der vertraute Ort könnte mit einer unheimlichen oder düsteren Erinnerung verbunden sein. Vielleicht ist es der Schauplatz eines schrecklichen Ereignisses, das die Figur verdrängt hat.
- Fantasy: Der Ort könnte magische Eigenschaften besitzen und Erinnerungen auf seltsame Weise manipulieren. Vielleicht sind die Erinnerungen der Figur gar nicht real, sondern wurden ihr eingepflanzt.
- Romantik: Der Ort könnte die Figur an eine vergangene Liebesgeschichte erinnern, die nun wieder auflebt. Die emotionale Verbindung zu dem Ort wird durch diese Erinnerung verstärkt.
Die berühmten Schlussgedanken
„Erinnerungen wecken“ ist eine mächtige Technik im kreativen Schreiben, weil sie uns erlaubt, tiefe Emotionen und komplexe Zusammenhänge zu erforschen. Jeder von uns hat Erinnerungen, die uns prägen und beeinflussen. Durch diese Übung lernst Du, wie Du diese Erinnerungen geschickt in Deine Geschichten einbauen kannst.
Indem Du die Vergangenheit Deiner Figuren erkundest und mit ihren aktuellen Erfahrungen verknüpfst, schaffst Du eine reichhaltige und vielschichtige Erzählung, die den Leser fesselt und zum Nachdenken anregt.
Probiere die Schreibübung gerne einmal aus. Lass Deiner Fantasie freien Lauf und beobachte, wie die Erinnerungen deiner Figuren die Handlung auf unerwartete Weise beeinflussen. Teile Deine Ergebnisse gerne in den Kommentaren – ich bin gespannt auf Deine Geschichte!
„Happy writing“!
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